Wieviel Begegnung braucht Bildung?
Ich arbeite seit vielen Jahren als Dozentin und spüre: Lehre verändert sich. Nicht abrupt, sondern schleichend. Nicht spektakulär, sondern im Alltag. Und doch grundlegend.
Dieser Wandel hat viele Ursachen: neue Studienangebote, neue Bildungswege, der Bologna-Prozess. Ein Einschnitt war sicher die Corona-Pandemie, die uns zwang, von heute auf morgen in die Online-Lehre zu wechseln. Ich saß damals in Videotrainings, lernte Adobe Connect, Zoom, MS Teams und fragte mich nebenbei, was davon eigentlich datenschutzkonform ist. Ich war unsicher, gestresst, voller Fragen. Heute ist Online-Lehre so selbstverständlich, dass ich kaum noch weiß, was mich damals so verunsichert hat. Auch für die Studierenden war es eine radikale Umstellung. Plötzlich fand Lehre nicht mehr im Seminarraum, sondern im WG- oder Kinderzimmer statt.
Dadurch veränderte sich das Miteinander. Viele Studierende blieben in Zoom stumm, andere kochten nebenbei oder spazierten mit dem Hund. Die Hochschule als öffentlicher Ort mit Fluren, Mensen und Bibliotheken fiel weg. Das eröffnete neue Freiheiten, nahm aber auch vieles, was Studium ausmacht: die zufällige Begegnung, die Reibung an anderen, die Möglichkeit, sich neu zu erfahren.
Ich schätze die Chancen von Digitalisierung und KI. Sie schaffen Freiheit, Flexibilität und manchmal auch kreative Impulse. Und doch zeigt sich: Lernen lebt von mehr als Technik oder Tools. Es entsteht erst dort, wo Austausch möglich wird, wo etwas zurückkommt, wo man sich aufeinander bezieht.
Heute sind hybride Formate Alltag. Manche begrüßen die Rückkehr in die Präsenz, andere halten an der digitalen Freiheit fest. Beides verändert Erwartungen. Und doch spüre ich manchmal: Je reibungsloser und effizienter Lehre gestaltet wird, desto stiller wirkt sie. Alles läuft glatt – und trotzdem entsteht eine Müdigkeit. Kein Widerspruch, aber auch wenig Eigeninitiative.
Vielleicht liegt das weniger an der Lehre selbst als an dem, was wir ihr abverlangen: Effizienz, Individualisierung, ständige Verfügbarkeit. Vielleicht auch daran, dass Fragen heute oft nicht mehr im Seminarraum gestellt, sondern lieber an ChatGPT oder TikTok gerichtet werden. Es wirkt einfacher, aber es verändert, wie wir miteinander im Gespräch bleiben.
Was bleibt?
Lernen hat sich gewandelt, leise, aber tiefgreifend. Wir alle versuchen, diesen Wandel zu gestalten – manchmal bizarr, oft hybrid, manchmal auch fremd. Doch entscheidend ist, dass wir im Gespräch bleiben und auf Augenhöhe klären, wie wir miteinander lernen wollen.
Nur so bleibt Lehre lebendig. Nicht perfekt. Aber menschlich.